Super-Serien-Tag beim Festival Großes Fernsehen
Hollywoodstars und eine französische Premiere begeistern das Publikum
Volles Haus, begeistertes Publikum, Stars auf der Leinwand: Was sonst den großen Blockbustern vorbehalten scheint, gelang am Freitagabend den internationalen Serien-Highlights. Neben den aufwendigen US-amerikanischen Produktionen erntete auch der erste französische Festivalbeitrag lang anhaltenden Beifall: Engrenages, eine weltweit gefeierte Polizeiserie. Auf großes Interesse nicht nur beim jungen Publikum stieß zudem ein Best of WebTV mit Videoproduktionen, die im Internet von Millionen Menschen gesehen werden – eine andere Art des Fernsehens, mit der das Kölner Fernsehfestival in den zweiten Tag startete.
Die Frankreich-Premiere bei „Großes Fernsehen“ ist Ergebnis einer neuen Kooperation zwischen den Machern des Festivals und dem Institut français. Zur Deutschlandpremiere von Engrenages waren Produzent Alain Clert und Laetitia Recayte, Geschäftsführerin des Verleihs NeweN, extra aus Frankreich nach Köln gekommen. Nach der Preview vermittelten sie im Gespräch mit Moderator Dr. Frank Weyers-Goebel einen Eindruck davon, wie erfolgreich die ebenso düstere wie spannende Polizeiserie in und außerhalb Frankreichs ist. Die vierte Staffel ist so gut wie abgedreht, die Bücher für die fünfte sind derzeit in Arbeit. Noch nie hat sich eine französische Serie auf dem Weltmarkt so gut verkauft, bislang griffen Sender aus 70 Ländern zu; ein deutscher allerdings noch nicht. „Wir würden uns freuen, wenn Deutschland das 71. Land werden würde“, erklärte denn auch Laetitia Recayte; die Reaktion der Zuschauer, darunter die Kölner Bürgermeisterin Angela Spizig, ließ keinen Zweifel daran, dass diese das genauso sehen. Alain Clert erklärte den Erfolg der Serie unter anderem damit, dass sie sehr realistisch sei und die Fälle zum Teil auf wahren Begebenheiten basierten: Nicht umsonst befinde sich im Autorenteam ein Polizist, zudem ließen sich die Macher der Serie von Richtern und Anwälten beraten.
Neben dem französischen Beitrag standen vier US-amerikanische Top-Serien im Fokus des Festivalfreitags. Auf House of Lies, einer bissigen Comedy-Serie über ein Team von Unternehmensberatern mit einem Humor, der unüberhörbar auch den Geschmack des deutschen Publikums traf, folgte die Pilotfolge der neuen HBO-Serie Luck. Der US-Start der ersten Staffel im Januar war weltweit aufmerksam verfolgt worden, und das nicht nur wegen der Hauptdarsteller Dustin Hoffman und Nick Nolte; Schöpfer der Serie aus dem Rennbahn-Milieu ist „Deadwood“-Erfinder David Milch, „Miami Vice“-Macher Michael Mann zählt zu den Produzenten und führte bei der Pilotfolge Regie.
Auch noch am späten Abend bildeten sich Schlangen vor dem Kinosaal – auch wenn schon länger bekannt war, welch Top-Serien sich hinter den beiden Sneak Previews verbargen: Zwei der großen Gewinner der Golden-Globe-Verleihung 2012. Von „Homeland“ hatte man aus den USA nur Gutes gehört, mit dem begehrten Award war nicht nur die Hauptdarstellerin Claire Danes, sondern gleich auch noch die ganze Serie ausgezeichnet worden. Eine CIA-Agentin mit psychischen Problemen, die als einzige davon überzeugt ist, dass es sich bei einem im Irak befreiten US-Marine nicht um einen Helden, sondern um einen Überläufer mit Attentatsplänen handelt: Das packte die Zuschauer. Und auch Sneak Preview Nummer 2 stellte sich als Festival-Highlight heraus: In „Boss“ brilliert Kelsey Grammer – auch er mit einem Golden Globe geehrt – als machtbewusster Bürgermeister von Chicago, der niemanden wissen lässt, wie schlecht es um ihn bestellt ist: Er leidet an einer fortschreitenden degenerativen Erkrankung des Gehirns. Regie führte bei der ersten Folge der von Cineasten verehrte Gus van Sant: Auch ein Grund, warum „Boss“ auf der großen Kinoleinwand von der ersten Minute an beeindruckte.
Fünf Serien – fünf herausragende Beispiele dafür, was Qualitätsfernsehen leisten kann. Der Beginn des zweiten Festivaltages jedoch lenkte den Blick auf ein anderes Medium: das Internet. Unter dem Titel Best of WebTV stellte Christoph Krachten, Moderator und Produzent der erfolgreichen Online-Talkshow Clixoom, herausragende Videobeiträge aus dem World Wide Web vor. Ob Parodien auf Werbespots, eigens für das Netz produzierte Musikvideos, von echten Menschen nachgespielte Computer Games – das Internet ist ein grenzenloses Experimentierfeld, auf dem ohne Einschränkungen etwa durch feste Sendeplätze oder klar definierte Formatvorgaben Programm gemacht werden kann. Was es im Netz gibt, ist so im TV nicht zu sehen, ist jederzeit verfügbar und erlaubt unmittelbare Interaktion mit den Zuschauern. „Gefällt mir“, „gefällt mir nicht“ – Produzenten von Internetvideos erfahren sofort, auf welche Resonanz ihre Werke stoßen; das sei „Marktforschung direkt am Kunden“, erklärte Krachten und unterhielt das Publikum unter anderem mit Produktionen, die für den deutschen Videowebpreis nominiert sind. Der Web-Experte verwies auch auf eines der derzeit meistdiskutierten Beispiele für die ungeheure Mobilisierungskraft von Bewegtbildern im Internet: die Kampagne „Kony 2012“ der Organisation Invisible Children. Das Video über die Machenschaften des ugandischen Massenmörders und Rebellenführers Joseph Kony, der Tausende Kinder zwangsrekrutierte, wurde auf YouTube bereits von über 56 Millionen Menschen angesehen.